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ZFIT – Zentrum für Familien in Trennung

Horch horch – tut sich da etwa (endlich) etwas in Bern zu den IGM Schweiz Brandthemen «Alternierende Obhut» und «Eltern-Kind-Entfremdung»?

Zum 1. September 2023 hat ein Artikel der Berner Zeitung mit der Überschrift «Zerstrittene Paare müssen neu zum Gespräch antraben» aufhorchen lassen: Das «ZFIT» (Zentrum für Familien in Trennung) wurde neu eröffnet, um seitens Familiengericht oder KESB angeordnete Beratungen bei zerstrittenen Eltern zum Kindeswohl umzusetzen.

In der Schweiz sind gemäss Bundesamt für Statistik jedes Jahr rund 13’000 Kinder von einem Scheidungsverfahren betroffen. Dazu kommt eine mindestens so hohe Anzahl Kinder, bei denen sich Eltern trennen, die nicht miteinander verheiratet sind. Eine Scheidung oder Trennung der Eltern stellt für Kinder und Jugendliche ein kritisches Lebensereignis dar. Je strittiger das Verfahren ist, desto grösser ist die Belastung für die betroffenen Kinder und Jugendlichen.

 

Weil es streitenden Eltern vielfach nicht gelingt, das Wohl ihres Kindes im Auge zu behalten, werden behördlich angeordnete Entscheide über die Kinderbelange notwendig. Dies lässt aber zumeist einen Elternteil unzufrieden zurück, wodurch der Konflikt weiterschwelt und sich zunehmend verschlimmert. Darunter leiden wiederum auch die Kinder.

 

Umgekehrt zeigen die Erfahrungen, dass ein Verfahren ausserhalb des Gerichts oder der KESB, welches das Kindeswohl ins Zentrum rückt und bei dem die Eltern gemeinsam eine Lösung finden müssen, deeskalierend wirken kann. Hochstrittige Fälle können so langfristig vermieden werden, was den Kindern zugutekommt.

 

Vor diesem Hintergrund konstituierte sich bereits im Jahr 2019 in der Stadt Bern eine Gruppe aus unterschiedlichen Organisationen und Disziplinen mit dem Ziel, in Gerichts- und KESB-Verfahren eine frühzeitige Deeskalation der Elternkonflikte zu erreichen. Gemeinsam mit der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) sowie der Anlaufstelle KESCHA entwickelte man so das Zentrum für Familien in Trennung ZFIT. Als Mitinitiantin dieses Trägervereins engagiert sich seit Jahren die Oberrichterin beim Obergericht des Kantons Bern, Anastasia Falkner. Frau Falkner war auch bereits bei einigen der seitens IGM oder GeCoBi organisierten Podiumsdiskussionen federführend und setzt sich für deeskalierende Massnahmen (wie auch die Alternierende Obhut) und gegen Eltern-Kind-Entfremdung ein.

 

Im Artikel der Berner Zeitung wird Frau Falkner zitiert: «Wenn der Konflikt zwischen den Eltern besteht und sie ihre Paar-Ebene nicht von der Eltern-Ebene trennen können, dann wird es schwer wegen der Verletzungen und Emotionen die Bedürfnisse der Kinder noch wahrzunehmen. Eine Einigung auf der Paar-Ebene erscheint aussichtslos. Ich würde mir wünschen, die Eltern irgendwie emotional auf die Eltern-Ebene fokussieren zu können. Dieses Instrument stand aber bisher nicht zur Verfügung, und genau in solchen Fällen kommt nun die neue Beratungsstelle ZFIT ins Spiel.»

 

Gerichtsanordnung zur ZFIT Beratung im Kanton Bern: Wie ist der Ablauf?

Besteht zwischen den Elternteilen in familienrechtlichen Verfahren ein Konflikt zu kindesrechtlichen Fragen, kann das Gericht (momentan in der Pilotphase das Regionalgericht Bern-Mittelland) oder die KESB Bern (Stadt) eine Beratung im Zentrum für Familien in Trennung ZFIT anordnen.

 

Über den Beratungszeitraum von vier Monaten finden alle zwei Wochen Beratungsgespräche im ZFIT statt. Die Beratung wird gemeinsam mit beiden Eltern durchgeführt. Die Beratungsgespräche dauern zwischen 60 und 90 Minuten. Die Interessen und Bedürfnisse der Kinder stehen im Zentrum der Beratung. Die Teilnahme an den Gesprächen, zu denen die Eltern ins ZFIT eingeladen werden, ist aufgrund der behördlichen resp. gerichtlichen Anordnung für beide Elternteile obligatorisch. Eine allfällige Rechtsvertretung nimmt an den Gesprächen im ZFIT nicht teil; die Klientinnen und Klienten können jedoch immer wieder Rücksprache mit ihrer Rechtsvertretung nehmen.

 

Das neue, obligatorische Angebot kostet 2’500 Franken pro Familie, welche die Eltern bezahlen müssen. Es läuft mit diesen Kosten genau gleich wie bei Verfahrenskosten einer Scheidung. Anastasia Falkner sagt: «Wir sind der Meinung, dass es am Schluss weniger kosten wird als die Gutachten und die Beistandschaften, die früher in solchen Fällen verfasst wurden und sich auf über 10’000 Franken beliefen».

 

Wie geht es weiter?

Das Pilotprojekt ist geografisch auf die Stadt Bern und das Berner Mittelland sowie auf deutschsprachige Paare beschränkt und dauert zwei Jahre. Es wird von einem aus Fachleuten bestehenden Trägerverein durchgeführt und vom Institut für Familienrecht der Universität Freiburg evaluiert. Ist es erfolgreich, könnten standardisierte Verfahren zur Konfliktdeeskalation und spezialisierte Beratungsstellen schweizweit eingeführt werden. Dafür müsste das Zivilprozessrecht des Bundes angepasst werden. Somit ist das ZFIT ein Leuchtturmprojekt auch für das Bundesamt für Justiz, welches das Pilotprojekt genehmigt hatte.

 

IGM Kommentar

«Das ZFIT mit dem Weg über angeordnete Beratungen zerstrittener Eltern ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung», sagt auch IGM-Präsident Thomas Jakaitis. «Es bleibt allerdings abzuwarten, welche Sanktionsmechanismen die Gerichte oder KESB in Bern realisieren, wenn sich ein Elternteil der Teilnahme an den obligatorischen Beratungen ganz oder teilweise verweigert.» Idealerweise kommt es über ZFIT zu einer Vereinbarung der Eltern zu den Kinderbelangen, die dann seitens Gericht oder KESB genehmigt wird.

 

Zur Beachtung: Die Gerichte bleiben weiterhin zuständig für die bestehenden Unterhaltsregelungen. Nur: Gelingt es im Rahmen der ZFIT Beratungen nicht, eine Einigung zu allen offenen Konfliktfeldern der Eltern in Bezug auf ihre Kinder zu entwickeln, wird lediglich ein Bericht über Setting und Inhalt der Beratung mit weiterführenden Empfehlungen an das Gericht oder die KESB versendet. Und genau dies bekräftigt leider die von den «Umgangsverweigerern» praktizierten Kontaktabbruch-, Verzögerungs-, Verweigerungs- und Entfremdungstaktiken: Die Berater und Therapeuten geben resigniert auf und ziehen sich zurück.

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