Aktuelles

Teilrevision des AHV-Gesetzes - Hinterlassenenrenten

Nach einem Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen die Schweiz musste der Bundesrat die Regelungen betreffend Witwen- und Witwer-Renten überarbeiten.

Ein Schweizer Witwer hatte die Schweiz erfolgreich auf Diskriminierung von Männern aufgrund ihres Geschlechts verklagt ("Fall Beeler"). Die IGM Schweiz hat zu der vom Bundesrat vorgeschlagenen Teilrevision eine Stellungnahme abgegeben.

 

Worum geht es?

Der Schweizer Witwer Max Beeler hatte seine beiden Töchter nach dem Unfalltod seiner Frau in den 90er Jahren alleine grossgezogen und seinen Erwerbsgrad reduziert. Dies wurde ihm durch den Bezug von entsprechenden Hinterlassenenrenten ermöglicht. Als seine jüngste Tochter aber 18 Jahre alt wurde, wurde ihm die Witwerrente gestrichen. Wäre Beeler eine Frau gewesen, so wäre dies nicht der Fall gewesen. Beeler ging in der Schweiz erfolglos durch alle Instanzen und danach wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts an den EGMR, wo er im Jahr 2020 gegen die Schweiz gewann. Die Schweiz akzeptierte den Entscheid aber nicht und legte beim EGMR eine Beschwerde ein, sodass tatsächlich die sogenannte "Grosse Kammer" des EGMR ein zweites Mal über den Fall befinden musste ......! Diese bestätigte im Jahr 2022 das EGMR-Urteil von 2020 gegen die Schweiz.

Dies hatte zur Folge, dass die Schweiz seither in einer Übergangsregelung Witwer und Witwen gleich behandeln muss und an Beeler die verweigerten Witwerrenten nachzahlen muss. Diese Regelung gilt allerdings nicht rückwirkend, sodass Witwer, deren Kinder bereits volljährig sind und die nicht vor dem EGMR-Entscheid das Erlöschen ihrer Witwerrente angefochten haben, leer ausgehen ...! (Diesbezüglich laufen bereits mehrere neue Prozesse in der Schweiz ....!)

Auch der mittlerweile 70-jährige Beeler musste noch ein zweites Mal vor das Bundesgericht: Wäre er eine Frau gewesen, hätte er nämlich zusätzlich zur Witwenrente damals auch noch Ergänzungsleistungen und einen Erlass von diversen Gebühren (Billag/Serafe) erhalten. Die Rückerstattung dieser Beträge wurde ihm aber kürzlich in einem neuen Urteil des Bundesgerichts verweigert. Der mittlerweile in Peru lebende Beeler (wer will's ihm verargen ...) wird die Schweiz deshalb voraussichtlich ein zweites Mal beim EGMR verklagen, dieses Mal allerdings wegen der aufgrund seines Geschlechts verweigerten Ergänzungsleistungen.

 

Aus Anlass dieser Geschehnisse hat nun der Bundesrat eine Teilrevision des AHV-Gesetzes betreffend der Hinterbliebenenrenten vorgeschlagen. Neu sollen sowohl Witwen als auch Witwer eine Rente erhalten, bis das jüngste Kind 25 Jahre alt ist. Für die Rentenberechtigung ist neu nicht mehr der Zivilstand sondern das Kindsverhältnis entscheidend. Kinderlose Witwen und Witwer unter 55 Jahren erhalten künftig keine Renten mehr, es gilt eine zweijährige Übergangsfrist. Damit werden Witwen im Vergleich zur bisherigen Situation etwas weniger gut gestellt, und Männer sowie unverheiratete Eltern wären neu gleichberechtigt. Allerdings hat der Bundesrat für kinderlose Witwen, die Bezügerinnen von Unterhaltszahlungen ihres verstorbenen Ex-Mannes waren, im neuen Gesetzesentwurf eine Sonderregelung als Schlupfloch vorgesehen, siehe die folgenden Ausführungen in der IGM Vernehmlassung weiter unten.

Die Vernehmlassung zu dieser Teilrevision lief bis Ende März 2024, und auch die IGM Schweiz hat eine Stellungnahme eingereicht, die weiter unten dargestellt ist. Grundsätzlich befürwortet die IGM den Vorschlag des Bundesrates, abgesehen von der oben erwähnten Sonderregelung für kinderlose Witwen.

 

IGM-VERNEHMLASSUNGSTEXT:

 

Vernehmlassung

betreffend Teilrevision des AHVG: Anpassung der Hinterlassenenrenten

 

Eidgenössisches Departement des Innern EDI

Inselgasse1

3003 Bern

 

Sehr geehrte Frau Bundesrätin

Sehr geehrte Damen und Herren

 

Wir erlauben uns, kurz zu dieser Vorlage Stellung zu nehmen.

Die 1976 gegründete IGM Schweiz ist die "Interessengemeinschaft geschiedener und getrennt lebender Männer der Schweiz". Die IGM Schweiz ist eine Organisation, die ihre Mitglieder unterstützt, welche von Trennungs- und Scheidungsproblemen betroffen sind. Sie leistet Hilfe in menschlicher, sozialer und juristischer Hinsicht. Ausserdem will sie die Gleichstellung von Mann und Frau in der Schweiz vorantreiben, die beiden Elternteilen erlaubt, sich in Unterhalt und Betreuung der Kinder engagieren zu können. Dabei unterstützt sie ihre Mitglieder und setzt sich in der Öffentlichkeit für eine zeitgemässe und emanzipierte Familienpolitik ein.

 

Der Bundesrat will mit der vorliegenden Vorlage dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Folge leisten und die heute bestehende Ungleichbehandlung von Männern bei den Hinterlassenrenten der AHV korrigieren. Die IGM Schweiz begrüsst sehr, dass die Hinterlassenenleistungen auf die Betreuungs- und Erziehungszeit von Kindern ausgerichtet und unabhängig vom Zivilstand der Eltern gewährt werden sollen und Väter nicht mehr benachteiligt werden.

 

In diesem Zusammenhang haben wir aber kritische Bemerkungen zu Art. 24, der unserer Meinung nach aufgrund seiner Ausrichtung auf kinderlose Hinterbliebene nicht so recht ins Gesamtbild der Kindes-orientierten Gesetzesvorlage hineinpasst.

 

Unsere Bemerkungen zu Art. 24

Zur Übergangsrente bei Verwitwung (Absatz 2):

Eine geschiedene Person ist einer Witwe oder einem Witwer gleichgestellt, wenn

sie im Zeitpunkt des Todes ihres geschiedenen Ehegatten keine Kinder mehr hat, die

einen Anspruch auf eine Rente für den hinterlassenen Elternteil begründen, und sie

von ihrem geschiedenen Ehegatten einen Unterhaltsbeitrag nach Artikel 125 ZGB

bezog.

 

Mit dem im aktuellen Scheidungsrecht geltenden Clean Break Prinzip soll erreicht werden, dass mit der Scheidung eine endgültige wirtschaftliche Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten stattgefunden hat (vgl. Frau Professor Ingeborg Schwenzer, Basel, und weitere). Mit anderen Worten: Es wird von jedem Ehepartner erwartet, dass er nach der Scheidung selber für seinen Unterhalt aufkommt.

 

Dass kinderlosen, geschiedenen Personen, die von der verstorbenen Person einen Unterhaltsbeitrag erhielten, durch die Hintertür bei einem Todesfall des Unterhaltsschuldners während zweier Jahre eine grosszügige Rente auf Kosten der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen sowie der Erwerbstätigen bezahlt werden soll, lehnt die IGM Schweiz ab. Dies erscheint konzeptlos und ist nicht im Sinne des Clean Break Prinzips des geltenden Scheidungsrechts. Zudem liegt es nicht im Interesse der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen und Erwerbstätigen der Schweiz.

 

Unserer Meinung nach ist die zweijährige Übergangsrente für kinderlose Witwen und Witwer gemäss Art. 24 Abs. 1 höchstens bei verheirateten, ungetrennten Ehepaaren gerechtfertigt, und zwar nur, sofern die hinterbliebene Person aufgrund der ehelichen Aufgabenteilung während einer relevanten Zeitspanne (z.B. mehr als fünf Jahre oder ähnlich) bis zum Zeitpunkt des Todes nicht erwerbstätig gewesen war. Es erscheint uns nicht unmöglich, dass eine derartige Regelung zugunsten verheirateter, ungetrennter und kinderloser Paare tatsächlich im öffentlichen Interesse liegen könnte.

 

Die IGM Schweiz schliesst sich ansonsten inhaltlich der ausführlichen Stellungnahme des Bundesrats an.

 

Wir danken Ihnen für die Kenntnisnahme und Berücksichtigung unserer Stellungnahme sowie für Ihre weitere wertvolle Arbeit zum Wohle der Kinder in der Schweiz.

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