Aktuelles

Stellungnahme der IGM zur neuen Stalking-Vorlage

Die Kommission des Nationalrats für Rechtsfragen wollte einen Entwurf zur Erweiterung des Strafgesetzes um den neuen Tatbestand Stalking verfassen, weil dieser in der sogenannten Istanbul-Konvention vorkommt, zu deren Einhaltung die Schweiz sich verpflichtet hat. Die IGM Schweiz hat in der Vernehmlassung eine Stellungnahme dazu abgegeben, die weiter unten dargestellt wird.

Was ist Stalking?

Hier fängt das Problem schon an: Es gibt keine allgemeingültige und insbesondere auch keine juristisch problemfreie Definition des Begriffs. Gemäss Artikel 34 der Istanbul-Konvention, aufgrund welcher das Parlament sich überhaupt veranlasst sieht, sich um die Stalking-Problematik zu kümmern, wird z.B. unter Stalking das vorsätzliche Verhalten verstanden, das aus wiederholten Bedrohungen einer anderen Person besteht, die dazu führen, dass diese um ihre Sicherheit fürchtet.

 

Das würde also konkret bedeuten, dass:

  • die Furcht einer Person um ihre Sicherheit,
  • plus die wiederholten Bedrohungen durch eine andere Person,
  • plus die Kausalität zwischen diesen wiederholten Bedrohungen und dieser Furcht um die Sicherheit

den Sachverhalt des Stalkings begründen – diese drei Elemente alle miteinander.

 

Anders formuliert: Das Strafgericht müsste also erstens von wiederholten Bedrohungen durch eine andere Person überzeugt werden und zweitens davon, dass die bedrohte Person tatsächlich um ihre Sicherheit fürchtet sowie drittens auch, dass diese Furcht durch die wiederholten Bedrohungen entstanden ist und nicht durch etwas anderes. Wie will man so etwas beweisen? Und, aus Sicht des Richters: Wie will er so etwas beurteilen? Das geht nicht; es ist nicht praktikabel.

 

Gesetzesentwurf

Die Kommission erstellte deshalb einen Gesetzesentwurf, der auf den heiklen Begriff des Stalkings verzichtet (!). Dieser findet seinen Niederschlag hauptsächlich im Strafgesetzbuch sowie in zweiter Linie auch im Militärgesetz. Im Strafgesetzbuch ist neben gewissen Detailänderungen, auf die wir an dieser Stelle nicht speziell eingehen müssen, insbesondere der neue Artikel 181b (Nachstellung) vorgesehen, der folgendermassen lauten soll:

 

Art. 181b Nachstellung

Wer jemanden beharrlich verfolgt, belästigt oder bedroht und ihn dadurch in seiner Lebensgestaltungsfreiheit beschränkt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

 

Folgendes ist also offensichtlich:

  • Der Begriff des Stalkings wird durch den Begriff der Nachstellung ersetzt.
  • Die problematische Stalking-Definition der Istanbul-Konvention wird hier nicht verwendet, sondern es wird eine andere und weiter gehende Definition für den Begriff der Nachstellung angewendet.
  • Die Furcht einer Person um ihre Sicherheit, von der in der Stalking-Definition der Istanbul-Konvention die Rede war, wird hier nicht mehr erwähnt. Offenbar reicht für "Nachstellung" schon aus, dass jemand (auch auf nicht Sicherheits-relevante Weise) eine andere Person in ihrer Lebensgestaltungsfreiheit einschränkt. Furcht um Sicherheit ist nicht mehr nötig.

 

Für IGM-Mitglieder ist offensichtlich, dass mit diesem neuen Gesetzesartikel wieder einmal Tür und Tor geöffnet wird für missbräuchliche Strafanzeigen, die von Familienanwälten als sogenannte "prozesstaktische Manöver" angewendet werden können – und zusätzlich natürlich auch zur Vergrösserung ihrer Umsätze.

 

Zudem ist wahrscheinlich höchstens für Personen mit acht Semestern Aufenthalt an der juristischen Fakultät einer Universität nachvollziehbar, wie die Schweiz ihren Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention betreffend Stalking nachkommen soll, wenn sie im neuen Strafrechtsartikel ausgerechnet die Stalking-Definition derselben Istanbul-Konvention nicht anwendet (!). Das widerspricht dem gesunden Menschenverstand.

 

Aufgrund all dieser Erwägungen hat die IGM Schweiz in der Vernehmlassung des Bundes die folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Zu 19.433 n Pa. Iv. RK-NR. StGB-Tatbestände mit Stalking ergänzen:

Stalking entspricht einer Verhaltensstörung, die üblicherweise durch Zurückweisung, Beziehungssuche, intellektuelle Retardierung, Rachsucht, Dominanzstreben oder Sadismus begründet ist. Stalking reiht sich damit in weitere Verhaltensstörungen wie Mobbing, Borderline, Narzissmus usw. ein, welche gravierende Auswirkungen auf Dritte, d.h. Mitmenschen der verhaltensgestörten Person, haben können.

Generell sind zur Lösungsfindung bei solchen Dingen zwei Dinge geistig voneinander zu trennen:

  • die Feststellung und die Behebung der Verhaltensstörung
  • die Sanktionierung der Auswirkungen der Verhaltensstörung (auf Dritte)

 

Das Problem bei dieser Vorlage besteht nun darin, dass bereits zu einem Zeitpunkt mit Mitteln des Strafrechts gegen eine behauptete Verhaltensstörung vorgegangen werden soll, wo sich Dritte subjektiv durch den Stalker belästigt fühlen. Es ist zudem auch möglich, dass Dritte sich aufgrund einer eigenen Verhaltensstörung durch vermeintliche Stalker "belästigt" fühlen oder dass sie sich aus selbstsüchtigen Motiven als "belästigt" bezeichnen ....!

Wir erachten die Beurteilung dieser auf der psychologischen Ebene angesiedelten Problematik durch den Strafrichter als ungeeignet und unangebracht, weil dieser keine Fachperson ist, die die Verhaltensstörung des Stalkings feststellen und ihre Behebung veranlassen kann. Dies ist eine Aufgabe für psychologisch oder psychiatrisch geschulte Fachpersonen.

(Die Sanktionierung der Auswirkungen des Stalkings muss hingegen unserer Meinung nach weiterhin den Gerichten überlassen werden. Dafür bestehen bereits heute sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Möglichkeiten.)

Zudem gehört zur Bestrafung dieser Verhaltensstörung auch der schwierige Nachweis des Vorsatzes des Täters. Dummheit oder Unwissenheit können bekanntlich nicht bestraft werden, und praktisch jeder Stalker kann sich dumm stellen .......!

Vermutlich ist es diese Hürde, die dazu führte, dass es im Jahr 2019 in Deutschland nur 576 wegen Stalkings abgeurteilte Personen gab, obwohl es pro Jahr in Deutschland zwischen 19'000 bis 32'000 sich als Stalking-Opfer fühlende Personen gibt: https://de.wikipedia.org/wiki/Stalking

Diese Zahlen zeigen, dass die Mittel des Rechtsstaats weitgehend nutzlos sind, um psychologisches Fehlverhalten wie Stalking handzuhaben, natürlich auch in der Schweiz. Das ist durch die Zahlen aus Deutschland bereits erwiesen. Die in der Schweiz zu erwartenden Zahlen betragen ca. einen Zehntel, d.h. also ca. 60 Verurteilungen auf ca. 2000 Strafverfahren pro Jahr. Diese miserable "Erfolgsquote" des Justizsystems bringt uns zum zweiten Problem neben der offensichtlichen Nutzlosigkeit dieser Vorlage: zu ihrer Schädlichkeit.

Entgegen den Behauptungen der Rechtskommission, dass die Vorlage keine finanziellen Auswirkungen habe, belaufen sich die von der Bevölkerung zu tragenden Kosten bei z.B. 2000 Strafverfahren à z.B. CHF 5000 auf ca. CHF 10 Millionen pro Jahr. Die Anwälte und vielleicht auch Richter wird's freuen, aber wie soll die Bevölkerung vor dieser Geldverschwendung geschützt werden, die obendrein nur in ca. 60 von 2000 Fällen pro Jahr überhaupt zu einem Resultat führt?

Ein weiteres Problem besteht aus dem, was nach den ca. 1900 Fällen übrig bleibt, die pro Jahr in der Schweiz zu erwarten wären, in denen keine Verurteilung erfolgt. Für solche Fälle ohne Verurteilung gibt es zwei denkbare Outcomes:

Sehr selten: Es kann vom Beschuldigten bewiesen werden, dass kein Stalking vorliegt.

Allermeistens: Es kann weder ein Beweis zugunsten noch ein solcher zulasten des Beschuldigten gefunden werden, und das Verfahren wird eingestellt oder sistiert.

Ein Scheidungsanwalt, der missbräuchlich aus "prozesstaktischen Gründen" eine Stalking-Klage macht, bringt einen Beschuldigten in einem zeitgleich laufenden Zivilprozess (z.B. einem Scheidungsverfahren) sofort in die Defensive, und er wird auch nach einem ergebnislosen Stalking-Strafverfahren typischerweise im Zivilprozess folgendermassen argumentieren: "Es musste sogar ein Strafverfahren wegen Stalking gegen den Beschuldigten eröffnet werden, wobei ihm dann allerdings leider nichts definitiv nachgewiesen werden konnte." Die Schädigung des Fehlbeschuldigten funktioniert also auch ohne Verurteilung, d.h. in einer grossen Mehrheit aller Fälle, und die Fehlbeschuldigung wird praktisch nie sanktioniert.

Es ist nun so, dass Fehlbeschuldigungen für Betroffene ein ebenso grosses Problem darstellen wie Stalking. Immer wieder enden Fehlbeschuldigungen mit Suiziden oder mit Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken, Jobverlust, Verlust der sozialen Integration durch Vorverurteilung, dummes Geschwätz am Wohnort, das nicht widerlegt werden kann, usw.

Im weiteren führen Fehlbeschuldigungen, wie sie mit dieser Vorlage im Bereich von Elternkonflikten stark gefördert werden, zu einer weiteren Eskalation solcher Konflikte. Dies ist deshalb relevant, weil Stalking-Verfahren in 30 bis 50 Prozent der Fälle zwischen Ex-Partnern ausgetragen werden und weil in den meisten Fällen somit auch noch deren Kinder indirekt von solchen Fehlbeschuldigungen geschädigt werden.

Fazit:

Die IGM Schweiz lehnt diese Vorlage ab, weil sie nutzlos und schädlich ist. Nutzlos ist sie, weil sie hinsichtlich der Stalking-Zahlen praktisch nichts bewirkt, was anhand der oben erwähnten Zahlen aus Deutschland als erwiesen betrachtet werden kann.

Schädlich ist sie aus den folgenden Gründen:

  • grosse Kosten für die Bevölkerung von vielen Millionen Franken jährlich
  • Förderung von missbräuchlichen Fehlbeschuldigungen (aus sogenannten "prozesstaktischen Gründen"); praktisch immer ohne Sanktionierung
  • Eskalation des Konfliktniveaus bei Elternkonflikten durch Fehlbeschuldigungen
  • indirekte Schädigung von Kindern bei Elternkonflikten mit Fehlbeschuldigungen
  • schwere seelische Belastungen bei Fehlbeschuldigten (Suizide, Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken, Untersuchungshaft usw.)
  • wirtschaftliche und soziale Schäden bei Fehlbeschuldigten (Jobverlust, Verlust von Aufträgen bei Sebstständigen, Vorverurteilung und dummes Geschwätz am Wohnort usw.)

 

Wir bestreiten selbstverständlich keinesfalls, dass Stalking ein relevantes, gesellschaftliches Problem darstellt oder dass es Stalking nicht gäbe. Wir geben aber zu bedenken, dass auch Fehlbeschuldigungen ein relevantes, gesellschaftliches Problem darstellen.​​​​​​​

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