Wie funktionieren Prozesse & Gerichte?

Kindesvertretung in juristischen Familienkonflikten

Kinderanwalt – ein neuer Industriezweig?

Art. 12 UNKRK | UN-Kinderrechtskonvention


(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äussern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.


(2) Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden.



UN-Kinderrechtskonvention als Ursprung

So sind sich Eltern oft nicht über die Betreuungsanteile über die Kinder einig und führen einen jahrelangen Streit darüber. Dabei werden die Parteien – gemeint sind damit Mann und Frau – in der Regel durch einen Anwalt vertreten. Das Kind solle, so galt bis zur Einführung der neuen Zivilprozessordnung (ZPO) im Jahr 2011 die Devise, so lange wie möglich aus dem Scheidungsverfahren herausgehalten werden. Mit der neuen ZPO änderte sich das aber. Es wurde ermöglicht, dass das Kind als eigene Partei in einem Scheidungsverfahren auftreten kann. Dadurch erhielt das Kind eine Stimme, und die Gesetzesänderungen garantieren seither, dass ein Kind seine höchstpersönlichen Rechte ausüben kann.

Diese Gesetzesänderung wurde nötig, da die Schweiz ein Vertragsstaat der UNO Kinderrechtskonvention ist. Dieser Konvention ist zu entnehmen, dass dem Kind Gelegenheit gegeben werden muss, in allen das Kind berührenden Gerichts- und Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden. Gerichte dürfen einen Kinderanwalt einsetzen, wenn sie der Meinung sind, dass in in einem Gerichtsverfahren die Meinung des Kindes wichtig ist, um zu einem guten Urteil zu kommen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es ums Sorgerecht geht. Nicht nur Väter und Mütter können sich im Rahmen einer Scheidung um das Sorgerecht oder Obhutsanteile streiten, auch im Rahmen eines Kindesschutzverfahrens wird das Sorgerecht der Eltern in Frage gestellt und bei Mängeln und Kindswohlgefährdung eine Heimunterbringung ins Auge gefasst. Dabei kann das Gericht oder eine andere Behörde dem Kind einen Kinderanwalt zur Seite stellen. Der Kinderanwalt soll dem Kind folgendermassen helfen.

Verstehen, was passiert

Ein Kinderanwalt trägt dazu bei, dass das Gerichtsverfahren in einer Form abläuft, die dem Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen angemessen ist. Ziel: Das Kind soll die einzelnen Schritte des Verfahrens verstehen können.

Eigenen Willen erkennen

Kinderanwälte unterstützen Kinder und Jugendliche dabei, ihren eigenen Willen zu erkennen und stellen die erforderlichen Anträge an die Gerichte und Behörden. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Kinderanwälten ist zudem, dass sie mit den Kindern und Jugendlichen realistisch über mögliche Lösungen und Ausgänge ihrer jeweiligen Situation sprechen und ihnen dabei helfen, diese schwierigen Lebenssituationen emotional gestärkt und reifer zu meistern.

Verfahren beschleunigen

Der Kinderanwalt treibt die Lösungsfindung voran, vor allem dann, wenn streitende Eltern längst die Sicht der Kinder aus den Augen verloren haben. Wenn der Standpunkt des Kindes sowie seine Rechte und sein Wohlergehen in die Diskussion eingebracht werden, merken viele plötzlich wieder, worum es eigentlich geht. „Kinderanwalt“ ist eigentlich ein irreführender Begriff. Denn ein „Kinderanwalt“ ist nicht zwingend ein Anwalt, der im Anwaltsregister eingetragen ist. In dieser Rolle können auch andere Fachpersonen ein Kind in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren vertreten.Das kann ein Scheidungsprozess sein, eine Verfahren zur Fremdplatzierung oder ein Konflikt mit der Schulbehörde.

Der Kindesverfahrensvertreter

Der Kindesverfahrensvertreter, wie er eigentlich genannt werden sollte, stellt den Willen und die Interessen des Kindes fest und bringt dies in das Verfahren ein. Umstritten sind Kinderanwälte, respektive Kindesverfahrensvertreter, wegen der Kosten, aber auch wegen des Drucks, dem die Kinder unterstellt werden. Es ist kein Geheimnis, dass Fachpersonen, die dazugezogen werden, oft viel Geld kosten. Diese Kosten können Eltern – insbesondere solche, bei denen das Budget sonst schon klein ist – in den Ruin treiben. Selbstverständlich kann auch in solchen Fällen unentgeltliche Rechtspflege beantragt werden, doch darf nie vergessen werden, dass solche Kostenübernahmen immer nur einen Vorschuss darstellen, den der Staat vorerst gewährt, später aber periodisch von den Parteien zurückzufordert.

Doch viel wichtiger ist das sogenannte Kindeswohl. Obwohl der Begriff des Kindeswohls nicht klar definiert ist, kann gesagt werden, dass ein Kind egal welchen Alters sich anders entwickeln und sich andere Gedanken machen soll, als sich mit Recht, Befragungen und Gerichten herumzuschlagen.

Insbesondere in der Pubertät sind Kinder und Jugendliche mit anderen Dingen beschäftigt, weshalb die Kinder zu ihrem eigenen Wohl eigentlich so wenig miteinbezogen werden sollten, wie möglich, was nicht heisst, dass ein Kind ganz ausgeschlossen werden soll. Eine Teilnahme an der Scheidung in einem gesunden Mass bereitet das Kind für das spätere Leben vor und lehrt es einen gesunden, realistischen Umgang in Bezug auf Ehe und Scheidung.

In der Schweiz sind im letzten Jahr „nur“ rund hundert sogenannte Kinderanwälte eingesetzt worden, was in Bezug auf die hohe Scheidungsrate, in der die Fälle mit Kindesschutzmassnahmen noch nicht eingerechnet sind, wenig ist. Trotzdem sollte diese Zahl nicht erhöht werden. Die Gerichte wenden das Recht des Kindes, gehört zu werden, unterschiedlich an. Vorbildlich sind diesbezüglich Zürich, Schwyz und Zug. Hier werden die Kinder erst kurz vor dem Urteil befragt, wobei diese Befragungen nicht im Sinne einer klassischen Befragung durchgeführt werden, sondern die Kinder und Jugendlichen werden zu einem Gespräch eingeladen, bei dem sie das Gericht erklärt und gezeigt erhalten, was zu einer eher lockeren Diskussion führt. Dabei ist das Fazit der Richter immer dasselbe:

Die Kinder sagen aus, dass sie Mutter und Vater in ihrem Leben haben wollen. Ihre Aussagen zeigen klar auf, dass Kinder beide Elternteile benötigen.

Dies zeigt einmal mehr klar auf, dass die alternierende Obhut für alle Beteiligten, vor allem für das Kind, das beste Modell ist, denn es begrenzt die Verlustängste im Rahmen einer Scheidung enorm und hilft dem Kind, besser mit der Scheidung umgehen zu können.

Zum Schluss sollte noch erwähnt werden, dass es in seltenen Fällen tatsächlich sinnvoll ist, einen Kinderanwalt zu ernennen. Vernünftiger ist es aber normalerweise, Kinder nicht zu sehr mit den Problemen der Eltern zu belasten. So gesehen liegt es an den Eltern selbst, ob hier ein neuer Industriezweig geöffnet wird oder ob die Business-Sparte der Kinderanwälte in der Schweiz weiterhineher klein gehalten werden kann.

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Art. 299 ZPO | Schweizerische Zivilprozessordnung

Anordnung einer Vertretung des Kindes


(1) Das Gericht ordnet wenn nötig die Vertretung des Kindes an und bezeichnet als Beiständin oder Beistand eine in fürsorgerischen und rechtlichen Fragen erfahrene Person.

(2) Es prüft die Anordnung der Vertretung insbesondere, wenn:

a. die Eltern unterschiedliche Anträge stellen bezüglich:

1. der Zuteilung der elterlichen Sorge,

2. der Zuteilung der Obhut,

3. wichtiger Fragen des persönlichen Verkehrs,

4. der Aufteilung der Betreuung,

5. des Unterhaltsbeitrages

b. die Kindesschutzbehörde oder ein Elternteil eine Vertretung beantragen;

c. es aufgrund der Anhörung der Eltern oder des Kindes oder aus anderen Gründen:

1.
erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der gemeinsamen Anträge der Eltern bezüglich der Fragen nach Buchstabe a hat, oder

2.
den Erlass von Kindesschutzmassnahmen erwägt.

Stellt das urteilsfähige Kind Antrag auf eine Vertretung, so ist diese anzuordnen. Das Kind kann die Nichtanordnung mit Beschwerde anfechten.


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